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Rüsselsheim: Unerwartet eine Stadt mit großer Kaufkraft

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Im Rahmen des Förderprogramms „Zukunft Innenstadt“ wird der Bahnhofsplatz in Rüsselsheim grüner und einladender. Er ist ein Leuchtturmprojekt und zeigt, in welche Richtung sich die Innenstadt entwickeln kann.
Im Rahmen des Förderprogramms „Zukunft Innenstadt“ wird der Bahnhofsplatz in Rüsselsheim grüner und einladender. Er ist ein Leuchtturmprojekt und zeigt, in welche Richtung sich die Innenstadt entwickeln kann. © Stadt Rüsselsheim

Für Rüsselsheim liegt jetzt ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept vor. Es spricht von einem hohen Kaufkraftvolumen, präsentiert Leitlinien und macht Geschäftsinhabern Mut.

Rüsselsheim war einst eine Einkaufsstadt. Seit Schließung des Kaufhauses Karstadt im Jahr 2000 gaben jedoch immer mehr (Traditions-)Geschäfte auf – übrig blieben oft Dönerbuden, Nagelstudios und Telefonläden. Viel wurde versucht, um dem Trend entgegenzuwirken und die Stadtmitte wiederzubeleben.

Unter anderem gab die Stadt im Dezember 2020 ein Einzelhandels- und Zentrenkonzept in Auftrag, das nun vorliegt – und Hoffnung gibt. Das Papier bescheinigt Rüsselsheim ein sehr hohes Kaufkraftvolumen.

Rüsselsheim gehört zu den Städten mit höchstem Kaufkraftvolumen

Die Cima Beratung + Management GmbH hat in dem Einzelhandels- und Zentrenkonzept überraschende Zahlen ermittelt. Demnach liegt die allgemeine Kaufkraft – also das gesamte verfügbare Einkommen der Konsument:innen, unabhängig davon, wofür es ausgegeben wird – in Rüsselsheim bei rund 1,6 Milliarden Euro. Für die Geschäftsinhaber:innen interessanter ist aber wohl das einzelhandelsrelevante Kaufkraftvolumen von 470,3 Millionen Euro, das die Ausgaben im stationären Handel und im Online-Handel erfasst.

Laut Cima gehört Rüsselsheim damit in der Region nach Frankfurt, Wiesbaden und Darmstadt zu den Städten mit dem höchsten absoluten Kaufkraftvolumen. Selbst Oberbürgermeister Udo Bausch (parteilos) hat nach eigenen Angaben nicht mit diesem äußerst positiven Ergebnis gerechnet. „Jetzt müssen wir alles dafür tun, dass der größte Teil dieses Kaufkraftvolumens auch in der Stadt bleibt“, sagt er.

Rüsselsheim: Alle ein bis zwei Wochen gehen Menschen in der Innenstadt einkaufen

Die Cima hatte neben einer neutralen Bestandsaufnahme und Bewertung des örtlichen Einzelhandels mehr als 1500 telefonische Haushaltsbefragungen in das Einzelhandels- und Zentrenkonzept einfließen lassen. Digitale Informations- und Diskussionsveranstaltungen für die Einzelhändler:innen sowie ein Workshop für die städtischen Ämter ergänzten die Studie, die Grundlage für die Weiterentwicklung zur Einkaufsstadt und als attraktiver Lebensraum sein soll.

Die Erhebung zeigt, dass ein Viertel aller Bürger und Bürgerinnen mindestens alle ein bis zwei Wochen zum Einkaufen in die Rüsselsheimer Innenstadt kommt. Aus dem Umland sind es vor allem Bischofsheimer:innen und Nauheimer:innen, die in Rüsselsheim shoppen. Menschen aus Flörsheim, Trebur und Ginsheim-Gustavsburg fahren dagegen seltener nach Rüsselsheim.

Einzelhandel in Rüsselsheim

241 Einzelhandelsbetriebe wurden im Herbst 2021 im Rahmen einer Vollerhebung für Rüsselsheim ermittelt.

Die Zahl der Einzelhändler ging im Vergleich zum Jahr 2002, dem Jahr der letzten Vollerhebung, um 45 Prozent zurück.

Die örtlichen Einzelhändler bilanzierten einen Jahresumsatz von 299,6 Millionen Euro. Berechnungen der Cima Beratung + Management hatten aber ergeben, dass die Rüsselsheimer Bevölkerung 380,6 Millionen Euro jährlich ausgibt – unabhängig vom Ort des Einkaufs. Das zeigt laut Studie, dass gezielte Neuansiedlungen erfolgversprechend sind. ann

Das Image des Innenstadthandels ist bei den Auswärtigen deutlich besser als bei den Einheimischen. OB Bausch erklärt, warum: Die Rüsselsheimer:innen seien verwöhnt von der Phase, als die Opel-Fabrikanlagen noch direkt an die Innenstadt angrenzten. „Die Kaufkraft in der Mittagspause hat Rüsselsheim gut getan“, sagt er. Später erstreckte sich die Produktion bei Opel aber auf neue Flächen, die für die Beschäftigten nicht mehr fußläufig erreichbar waren.

Kleinteilige Ladenflächen sind in Rüsselsheim problematisch

Die Studie empfiehlt unter anderem, den dienstags und samstags stattfindenden Wochenmarkt noch intensiver als innerstädtischen Anziehungspunkt zu etablieren. „Außerdem muss die Jugend wieder in die Stadt“, sagt Bausch. Deshalb sei es wichtig, einen Jugendtreff im Neubau am Friedensplatz einzurichten. Laut Cima ist auch die Skaterhalle „Rollwerk“ in der Motorworld bedeutsam, weil sie neue Nutzer:innen in die Innenstadt zieht. Überhaupt könnte das Zentrum zu einer „Stadt der kurzen Wege“ mit hoher Aufenthaltsqualität umgestaltet werden – so wie es jetzt schon auf dem Bahnhofsplatz mit mehr Grün versucht wird.

Dass es in den letzten Jahren nicht gelang, Einkaufsmagneten in die Stadt zu ziehen, liegt laut Bausch an der Kleinteiligkeit der verfügbaren Flächen. „Rüsselsheim hatte keine Angebote, die für große Einkaufsunternehmen attraktiv gewesen wären“, erklärte er. Zwar gab es schon im Jahr 2008 Pläne, das Opel-Altwerk, in dem früher Autos gebaut wurden, zum Einkaufszentrum umzubauen. 2014 wurde das Planverfahren für die Bebauung des Areals aber von der Stadt gestoppt. Rückwirkend betrachtet die richtige Entscheidung, meint Bausch. Nach heutigem Stand der Dinge wäre so ein Einkaufstempel dem Untergang geweiht gewesen.

190 Hektar Land können jetzt in Rüsselsheim entwickelt werden

Jetzt könne die Stadt „geordnet an die Sache herangehen“, so Bausch. „Durch Corona und den Online-Handel wissen wir jetzt, was die Zeichen der Zeit sind.“

130 Hektar frei werdende Opel-Flächen in der Innenstadt sowie 60 Hektar Grund auf der Eselswiese im Nordosten des Stadtteils Bauschheim könnten für Wohnen, Gastronomie, Gewerbe und Kultur entwickelt werden – ganz so, wie es die Studie vorschlägt.

Zum Weiterlesen: News-Ticker zur OB-Wahl in Rüsselsheim

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