Unternehmen | Standortpolitik

Mehr Leben in der City

Stadt Landsberg am Lech ©
Events ziehen Besucher an – Christkindlmarkt in Landsberg am Lech

In den Zentren vieler kleinerer Städte und Orte nehmen Leerstände zu – es droht Verödung. Landsberg am Lech zeigt, wie es gelingen kann gegenzusteuern.

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 11-12/2023

Eine mittelalterliche Altstadt mit verwinkelten Gassen, großzügigem Hauptplatz samt Marienbrunnen und prächtigem Rathaus, umfasst von den malerischen Staustufen des Lechs und einer historischen Stadtmauer: Die Innenstadt von Landsberg am Lech ist ein Schmuckstück. Dabei ist sie weit mehr als eine Art Freilichtmuseum, sondern bildet den beliebten und belebten Mittelpunkt der oberbayerischen Kleinstadt mit rund 30.000 Einwohnern.

„Unsere Altstadt pulsiert und ist für Einheimische und Besucher attraktiv. Und zwar nicht allein wegen der schönen Kulisse, sondern auch wegen der Vielfalt an tollen und kreativen Läden, den hochwertigen Wochenmärkten und den zahlreichen Events und Veranstaltungen, die bei uns stattfinden“, sagt Katja Schmid. Sie betreibt seit über 30 Jahren das Augenoptikergeschäft Sehform Optik GmbH in Landsberg und ist zudem Vorsitzende des Gewerbeverbands „Die Aufmacher e.V.“, in dem sich rund 25 lokale Handelsunternehmer engagieren.

Gemeinsames Marketing bewährt sich

Eines ihrer aktuellen Projekte ist die Digitalisierung des Landsberg-Einkaufsgutscheins, der in zahlreichen Geschäften, Gastronomiebetrieben und Dienstleistungsunternehmen eingelöst werden kann. Finanziell gefördert wird dieses Vorhaben vom Innenstadtfonds der Stadt Landsberg. Er übernimmt generell 50 Prozent der Nettokosten, wenn mindestens 5 Unternehmen aus der Innenstadt gemeinsame Marketingmaßnahmen durchführen.

„Wir Gastronomen haben den Innenstadtfonds schon mehrmals in Anspruch genommen“, berichtet Dominik Wagmann, einer der Sprecher der Landsberger Wirte und Geschäftsführer der Mocca GmbH, die unter anderem das Hellmairs Café Restaurant Bar in der Innenstadt betreibt. „Zum Beispiel für Flyer und Plakate für Veranstaltungen sowie Bierdeckel mit den Logos aller Landsberger Gastronomen.“

Seit 2019: Wirtschaft berät Stadtverwaltung

Doch nicht allein wegen des Innenstadtfonds schätzt Wagmann die Kooperation mit der Stadtverwaltung. „Generell herrscht dort viel Verständnis für die Belange der Unternehmer in der Innenstadt.“ Im Landsberger Forum, das 2019 als städtischer Beirat ins Leben gerufen wurde, tauschen sich Händler, Gastronomen und andere Unternehmer aus der Innenstadt monatlich mit Vertretern der Stadtverwaltung aus.

Das Hellmairs auf dem zentralen Platz Landsbergs wird von Einheimischen wie Touristen besucht. Als Pluspunkt sieht Wagmann die Events und Veranstaltungen, die mitten in Landsberg stattfinden. „Egal, ob Christkindl- oder Töpfermarkt, Kino-Open-Air, die lange Kunstnacht oder das historische Ruethenfest: Die Stadt ist dann immer rappelvoll“, beobachtet er.

Innenstädte mit Events beleben

Dass Kultur und Erlebnisse im öffentlichen Raum eine zunehmend wichtigere Rolle für die Attraktivität von Innenstädten spielen, betont Christian Hörmann, Partner bei der CIMA Beratung & Management GmbH, die Städte und Regionen zu Zukunftsfragen berät. „Denn der Handel allein schafft es immer weniger, Stadtzentren und Ortskerne zu beleben.“

Angesichts des stark gewachsenen Onlinehandels und großflächiger Fachmarktzentren an den Ortsrändern steht der innerstädtische Einzelhandel schon seit Jahren gehörig unter Druck. Inflation, Rezession und Warenhausschließungen beschleunigen den Strukturwandel derzeit weiter.

„Nur schön reicht eben nicht“

Die Folge sind Geschäftsaufgaben und Leerstände, was vielerorts dazu führt, dass Stadtzentren und Ortskerne veröden – selbst in Kommunen mit aufwendig restaurierten historischen Zentren. „Nur schön allein reicht eben nicht“, fasst Hörmann zusammen. „Für eine nachhaltige Belebung ist ein stimmiges Gesamtkonzept nötig, mit dem möglichst viele Zielgruppen angesprochen werden.“

Als Kompensation für den Rückzug des stationären Handels sieht Hörmann gastronomische Angebote, vor allem aber kulturelle Nutzungen und Erlebnisse im öffentlichen Raum. Auch durch die Schaffung von Wohnraum in der Innenstadt und Immobilien für Dienstleister und Arztpraxen können Stadtzentren wieder belebter werden.

Klimaresilienz mitdenken

Für die zukünftige Attraktivität von Innenstädten ist seiner Ansicht nach Freizeitinfrastruktur für alle Altersgruppen wichtig: eine Pop-up-Bar mit DJs, Spielplätze, Beach-Volleyballfelder, Tischtennisplatten, ein Boule-Platz unter Schatten spendenden Bäumen. „Die Menschen wollen sich im öffentlichen Raum treffen und gemeinsam etwas erleben“, sagt Experte Hörmann. „Doch dazu braucht es eine gewisse Aufenthaltsqualität mit konsumfreien Zonen und Treffpunkten. Durch den Klimawandel gewinnen zudem Frischluftschneisen, Pflanzen und Wasser in Form von Brunnen oder Stadtbächen an Bedeutung.“

Ein Attraktivitätskiller ersten Grades ist dagegen Leerstand im Einzelhandel. Brachliegende Flächen können jedoch durch andere Nutzungen belebt werden. Die Zwischennutzungsexpertin Lissie Kieser (siehe Artikel Charme des Temporären) sieht wachsende Akzeptanz für diese Projekte – und zwar bei allen Beteiligten. „Zwischennutzungen können auch in kleinen Städten sehr gut funktionieren und insbesondere für leerstehende Kaufhausflächen sinnvoll sein“, bestätigt CIMA-Experte Hörmann.

Leerstandsmelder gibt Überblick

Da der inhabergeführte Einzelhandel häufig auch mit Nachfolgeproblemen zu kämpfen hat, empfiehlt der Experte allen Kommunen einen permanenten und engen Dialog mit den Händlern. So können sie frühzeitig von etwaigen Ladenschließungen erfahren und Händler bei der Suche nach einem Nachfolger oder -mieter unterstützen. Dabei kann der Leerstandsmelder Bayern (siehe Kasten unten) helfen. Auch Beratungs- und Unterstützungsangebote der Kommunen für stationäre Händler hält Hörmann für sinnvoll.

Landsberg beteiligt sich bereits am Leerstandsmelder. André Köhn, Leiter der Wirtschaftsförderung der oberbayerischen Kommune, plant außerdem Workshops und Beratungen für stationäre Händler – auch zu Themen wie Turn-around und Restrukturierung.

Gesprächsbedarf gibt es in der Stadt allerdings bei klassischen Themen wie dem Verkehr. Augenoptikerin Schmid etwa moniert den Lärm in der Innenstadt: „Das Verkehrskonzept ist meiner Ansicht nach noch nicht optimal.“ Solange der Verkehr in der Stadt bleibt, wünscht sie sich mehr Kurzhaltezonen zum Abholen von Ware. Sie könnte sich zudem vorstellen, dass Mitarbeiter der Innenstadtunternehmen durch einen Parkplatzbonus dazu motiviert werden können, auf einem Gelände außerhalb des Zentrums sehr kostengünstig zu parken.

Stadtentwicklung mit digitalen Tools

Auf der Suche nach Lösungen für das Thema können digitale Tools helfen, mit denen sich unter anderem Verkehrsströme simulieren lassen. „Generell ermöglichen digitale Smart-City-Lösungen ein cleveres Umgehen mit den Rahmenbedingungen vor Ort, um die Lebens-, die Aufenthalts- und die Arbeitsqualität in Städten zu sichern und zu erhöhen“, sagt Willi Steincke, Themenplattformkoordinator Smart City und Region bei der Bayern Innovativ GmbH (siehe Kasten unten).

Ein Digitaler Zwilling, also das virtuelle Abbild einer Kommune, könne zudem dabei helfen, sich einen besseren Überblick über Leerstände und deren Potenziale zu verschaffen und gemeinsam mit den Akteuren der Innenstadt Lösungen zu erarbeiten.

Masterplan für die Innenstadt

Allgemein haben Kommunen natürlich nur begrenzt Einfluss darauf, was private Immobilienbesitzer mit ihren Geschäftseinheiten tun oder lassen. „Doch mit fachübergreifenden Innenstadtentwicklungskonzepten, innerstädtischen Masterplänen und klaren Festsetzungen in der Bauleitplanung gibt es Steuerungsinstrumente, die zumindest dazu beitragen können, Ansiedlungen von Handelsunternehmen außerhalb des Stadtzentrums zu beschränken und Investitionssicherheit in der Innenstadt zu bieten“, erklärt CIMA-Experte Hörmann.

Einige müssen draußen bleiben

So ist etwa im Landsberger Einzelhandelsentwicklungskonzept genau vorgegeben, welche Sortimente in der Innenstadt verkauft werden dürfen. „Dazu zählen zum Beispiel Bekleidung, Bücher und Spielwaren“, erklärt Wirtschaftsförderer Köhn.

Demnächst wird eine ehemalige Industriebrache auf der anderen Seite des Lechs mit hochwertigen Wohnungen und einem Veranstaltungssaal plus Hotel bebaut. Die Ladenflächen dort werden ausschließlich der Nahversorgung der Bewohner dienen.

Neue Viertel mit altem Stadtkern verbinden

Über eine Fußgängerbrücke ist das neue Stadtquartier mit der Altstadt verbunden. „Das bedeutet 1.500 zusätzliche potenzielle Kunden für die Innenstadt“, freut sich Wirtschaftsförderer Köhn. „Und in dieser Zahl sind die Hotelgäste noch gar nicht enthalten.“

IHK-Info zur Innenstadtentwicklung
  • Standortportal/Leerstandsmelder Bayern:
    Leer stehende Einzelhandelsflächen, Hallen, Büros, Hotels oder Gaststätten können seit Anfang 2023 über ein sicheres Verfahren per Webformular anonym im Standortportal Bayern gemeldet werden. Kommunen können sich dort registrieren, um sich bei der Erfassung von Leerständen unterstützen zu lassen. Teilnehmende Kommunen prüfen die Meldungen und können Eigentümer der Immobilien kontaktieren und sie bei der Weiterverwertung oder Zwischennutzung unterstützen.

    Falls vom Eigentümer gewünscht, wird die Immobilie im Standortportal Bayern vermarktet. Der Eintrag im Standortportal ist ebenso kostenfrei wie der Service rund um das Leerstandsportal.
     
  • Digitale Tools für Städte:
    Von Verkehrssimulationen über Park-and-Ride-Systeme bis hin zu kommunalen Shopping- und Kultur-Apps: Es gibt zahlreiche Werkzeuge für die digitale Stadtgestaltung und -verwaltung. „Vor Investitionen in diese Tools sollten kommunale Entscheider ihre Bedarfe und den erwarteten Nutzen herausarbeiten“, sagt Willi Steincke. Als Themenplattformkoordinator Smart City und Region bei Bayern Innovativ hat er den Überblick über verschiedenste Lösungen und sieht sich als Vernetzer von Kommunen und Digitalanbietern.

    Grundsätzlich rät Steincke allen Kommunen, ihr Augenmerk stärker auf das Sammeln und Strukturieren ihrer Daten zu legen, was nicht nur Planungen erleichtert, sondern auch die Datenhoheit sichert. „Denn in Städten werden viele Daten erhoben, die auch für die regionale Wirtschaft wertvoll sein können.“
     
  • Weitere Infos auf der IHK-Website zur Innenstadtentwicklung.

Verwandte Themen